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Gefahren für unsere Demokratie: Ein Blick zurück in leichtem Zorn

Aktualisiert: 20. Nov. 2022

Die von uns gewählten Menschen und die von ihnen dann gewählten Regierenden geben möglichst oft ihr Bestes, auch wenn das Beste nicht immer gut genug ist. Siehe dazu auch meinen Blog "Tatbestand: Volksverdummung". Einen Staat / ein Bundesland/ ein Ministerium zu führen ist eine vielschichtige Aufgabe, die sehr oft von undurchsichtigen und meist schwierigen Umständen begleitet ist.


Ich vertrete grundsätzlich die Ansicht, dass wir trotz aller parteipolitisch geprägter Defizite in der besten aller Demokratien leben. Wir können unsere Meinung frei äußern, solang wir auf der Basis unserer Rechtsprechung bleiben. Unser Grundgesetz ist ein hochwertiger Rahmen, der unser Dasein umgibt.


Seit meiner Wahlberechtigung im Jahre 1970 erlebe ich permanent Regierungen, die irgendwelche Defizite aufweisen. Diese Tatsache gehört zu unserer vielschichtigen Parteienlandschaft sowie der permanenten Notwendigkeit von Koalitionen und damit von Kompromissen. Der Föderalismus mit all seinen Vor-und Nachteilen ist ein weiteres wichtiges Element unserer politischen Orientierung: Über den Bundesrat besteht mit der Repäsentanz der Ländervertreter ein Kontrollinstrument der Regierungs- und Parlamentsarbeit im Bund.


Ich beobachte in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch medial, sehr generell eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Ja, wir haben die scheinbar unpassendste aller möglichen Regierungskoalitionen im Bund mit zwei Koalitionären, die eher für sozial-ökologische Regierungsarbeit stehen und einem Koalitionär, der seine liberale und rein marktorientierte Ausrichtung tief in seinen Wurzeln verankert hat. Ja, die Menschen sind in Sorge wegen der Inflationsgefahr, der Energiekrise, dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen, dem Klimawandel u.v.a.m. Die Scheinwerfer sind also komplett auf Berlin gerichtet, wo der Kanzler und seine MinisterInnen die Antworten auf alle Fragen und Probleme geben sollen. Wir alle dürfen bei dieser berechtigten Forderung und der Betrachtung der bisherigen (und zukünftigen) Entscheidungen nicht vergessen, dass die Ministerinnen und Minister sowie der Bundeskanzler als deren "Chef" nur wenige Monate nach der Regierungsübernahme in einen Not- und sogar Kriegsmodus wechseln mußten, in dessen Kontext seit Anfang des Jahres alle politischen Entscheidungen stehen.


Mein heutiger Blog ist ein Blick zurück - im Zorn. Die Situationen und Probleme, die uns heute beschäftigen haben fast ausnahmlos ihre Ursachen in der Vergangenheit. Es greift zu kurz, nur die Merkel-Regierungen, also Mutti & Co., die unsere Geschicke 16 Jahre lang gelenkt hat, als völlig entzaubert und letztendlich durch ihre eigene Position des vorsichtigen Abwartens und Aussitzen als gescheitert darzustellen. Sie war nur eines der vielen Puzzleteile, die dazu führen, dass wir heute vor einem Berg teilweise unpassender Puzzleteile sitzen. Wir müssen also nicht nur 16 Jahre Angela Merkel betrachten, sondern auch weiter zurück in die "Zeit davor" gehen. Die meisten dieser Jahre waren von der Partei geprägt, die heute die dicksten Backen über die aktuellen Ampel-Defizite aufbläst, nämlich die CDU/CSU. Aber auch sieben Regierungsjahre eines heute entzauberten SPD-Blenders trugen zu unserem heutigen Puzzle-Chaos bei.


Zur Klimaproblematik und der Abkehr von fossilen Energieträgern


Ich beginne den Rückblick mit dem Jahr 1988, der zweiten Regierungsperiode von Bimbes- und Saumagenexperte Helmut Kohl, dem Ziehvater von Mutti Angela. In diesem Jahr wies Margret Thatcher zum ersten Mal in einer sehr deutlichen Rede vor der UN.Vollversammlung auf die Gefahren des Klimawandels hin. Hier der Link zu ihrer Rede: https://www.margaretthatcher.org/document/108237. Ihre Kernaussage lautete:


Je später man gegen den Klimawandel aktiv wird, desto teurer wird es werden, mit den Folgen umzugehen

Gehen wir noch weiter zurück, und zwar zur Klimakonferenz des Jahres 1979, begegnet uns folgender Abschlusssatz:

»Die fortdauernde Ausrichtung der Menschheit auf fossile Brennstoffe als wichtigste Energiequellen wird wahrscheinlich zusammen mit der fortgesetzten Waldvernichtung in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zu einem massiven Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration führen (...). Unser gegenwärtiges Verständnis klimatischer Vorgänge lässt es durchaus als möglich erscheinen, dass diese Kohlendioxid-Zunahme bedeutende, eventuell auch gravierende langfristige Veränderungen des globalen Klimas verursacht; und (...) da das anthropogene Kohlendioxid in der Atmosphäre nur sehr langsam durch natürliche Prozesse abgebaut wird, werden die klimatischen Folgen erhöhter Kohlendioxid-Konzentrationen wohl lange anhalten.«

Die Priorität nach 1988 lag auf der Wiedervereinigung. Über die unzähligen Fehler der DDR-Abwicklung durch die Kohl-Regierungen (Treuhand & Co, Subventionsbetrug, etc.) werden die Geschichtsbücher berichten.


Die Schröder-Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 mit einer Rot/Grünen Koalition war überwiegend durch den Selbstdarsteller Gerhard S. geprägt. In Erinnerung bleiben vor allem seine Zerschlagung des davor bestehende Sozialsystems mit den Hartz-Reformen und viel Streit innerhalb der SPD (Lafontaine-Parteiaustritt), etc.


Es folgten mit Angela Merkel 16 Jahre praktizierter Pragmatismus, dessen Problemanalyse sich durchaus lohnt.


Umwelt- Energie- und Klimapolitik


Alle PolitikerInnen wissen seit 1972 (Club of Rome Bericht) 1979 (Klimakonferenz, siehe oben) 1988 (Thatcher-Rede, siehe oben) genau, um was es geht. Es gibt kein Erkenntnisproblem zu den Problemkreisen, die mit der Erderwärmung, dem Ende des fossilen Zeitalters und den Folgen der zerstörten Umwelkt zusammenhängen. Wenn ein Schüler/ eine Schülerin mit einem dreifachen "Ungenügend" das Klassenziel nicht erreicht, muss er/sie die Klasse wiederholen. Unsere Regierenden schafften genau das seit mehr als 30 Jahren, also permanent mit der Note "Ungenügend" in den drei Hauptfächern Umwelt- Energie- und Klimapolitik abzuschließen - ohne jegliche persönliche Konsequenzen. Diese historische Hypothek hat die Ampel geerbt. Ob die neuen Ampel-SchülerInnen es kurz- oder mittelfristig besser machen werden, als die Nichtversetzten der Vorjahre, ist mehr als fraglich. Das Wissen, was zu tun ist, wäre schon vorhanden, aber der Zwang zu klaren, aber oft unpopulären Entscheidungen ist (wie auch bei den PoltikerInnen der Vergangenheit) eine Last, die man gerne vermeidet.


Außenpolitik


Ob Steinmeier, Westerwelle, Gabriel oder Maas - graues Einerlei mit wenigen echten Akzenten und einem Vertrauen auf die große Chefin als Moderatorin, speziell in Richtung Russland. Being Everybody's Darling, also der Liebling für alle sein - lautete die Devise. Ja, Diplomatie ist wichtig im Aussenministerium, aber klare Kante zur Verteidigung unserer Demokratie und ihrer Werte wäre es auch. Der Kuschelkurs mit China und Russland, das Afghanistan-Desaster, der Wunsch, immer als der Klassenbeste und Musterschüler in Europa dazustehen etc. - alles Spuren der Versäumnisse, unter denen die heutige Außenpolitik noch leidet. Das noch junge Ziel einer anderen Außenpolitik durch Annalena Baerbock ist erkennbar. Wenn Medien und Gesellschaft ihr die Zeit geben, neue Wege zu gehen, werden die großen außenpolitischen Fehler der Vergangenheit absehbar genau dieser angehören.


Verkehr und Digitalisierung


Die aktuellen Akteure der Ampelregierung haben auch da ein schwieriges Erbe angetreten. Ein durchaus lernfähiger Minister wie Volker Wissing muss sich mit dem herumschlagen, was seine Vorgängers Scheuer, Dobrindt, Ramsauer und alle anderen hinterlassen haben: eine heruntergewirtschaftete Deutsche Bahn, marode Verkehrswege, Investitionsstau auf allen Ebenen, etc.


Noch dramatischer ist die Situation bei den digitalen Herausforderungen. Nachdem die Hinterlassenschaft von Andreas Scheuer und seiner immer gut gelaunten Staatssekretärin Dorothea Bär daraus besteht, dass alle ExpertInnen des Themas Digitalisierung von unendlichen Fragezeichen und einer Digitalwüste Deutschland sprechen, geht die Ampelregierung neue Wege: Der Koalitionsvertrag formuliert als Ziel der Bundesregierung einen „umfassenden digitalen Aufbruch“. Dabei ist sie sich einig, dass Digitalpolitik eine Querschnittsaufgabe ist, die alle Ressorts und ihre nachgeordneten Bereiche betrifft. In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung intensiv an der Neuaufstellung der Digitalpolitik gearbeitet. Festgelegt wird die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Bundesministerien in dem am 31. August 2022 beschlossenen Entwurf eines Eckpunktepapier „Digitalpolitik der Bundesregierung: Neuordnung digitalpolitischer Zuständigkeiten“ Der Versuch, neue Wege zu gehen, ist auf alle Fälle mutig und beachtenswert. Auch bei diesem Thema wird Zeit benötigt, um 30+ Jahre Nichtstun aufzuarbeiten. Zum aktuellen Stand des Themas Digitalisierung hilft dieser Link: https://www.swr.de/swr1/swr1leute/digitalwueste-deutschland-prof-michael-resch-100.html


Wirtschaft


Der kommunikativ zwar sehr deutliche, aber nicht immer glücklich agierende Ressortchef Robert Habeck steht deutlich im Scheinwerferlicht von Medien, Gesellschaft und den OppositionspolitikerInnen, die mit unsachlichen Verbalinjurien von ihren eigenen Fach- und Sachmängeln der letzten 30 Jahre ablenken wollen. Die Transformation des Energiesektors, der Industrie und damit auch der deutschen Wirtschaft unter den Aspekten der kollabierenden Globalisierung, dem Drohen einer weltweiten Rezession als Folge der Putin'schen Aggression und seinem Wirtschaftskrieg gegen den Westen sind Herkulesaufgaben. Frühere Amtsinhaber sind erfreut, dass dieser schwere Kelch an ihnen vorüberging - und nun Habeck und sein Team für die Lösungen sorgen müssen. Speziell bei diesem Ressort sind aber unbedingt Geduld der Medien und der Gesellschaft gefragt. Ja, es wurden (und werden) Fehler gemacht, aber die Folgen aus allen Krisen, die das Habecksche Ressort betreffen, ist im Vergleich zu anderen Ministerin um ein Vielfaches höher.


Bad News Sells


Alle Medien ignorieren die Versäumnisse der Vergangenheit. Stattdessen prügeln sie auf die Ampel-Koalitionäre ein, die sich mit den unterschiedlichsten Hinterlassenschaften ihrer in Teilen inkompetenten VorgängerInnen herumschlagen müssen. Einige Beispiele (die nicht vollständig sind) habe ich genannt.


Die Gesellschaft reagiert auf "bad news sells" ebenso dankbar wie die Opposition, deren politische Zielsetzung bei Regierungskritik (leider) üblich ist. Es geht den Damen und Herren der Opposition nicht um Lösungen und Beiträge zur Bewältigung der vielen Krisen, die uns alle speziell als Folge des Ukraine-Krieges, den Nachwehen der Pandemie, dem Ende der Globalisierung wie wir sie kennen u.v.a.m. beschäftigen. Nein, es geht um Parteipolitik, egal ob bei der CDU/CSU oder bei der LINKEN.


Eine spezielle Rolle spielt die AfD, eine Partei, die unbedingtes Interesse daran hat, dass sich die weltpolitische Situation, der Streit innerhalb der Ampel, die Kritik an der Regierung, etc. noch verschlechtert. Historisch ist bekanntlicherweise die momentane Lage der Nährboden für extreme politischen Positionen. Auch hier zeigt uns die Geschichte, was sich daraus ergeben kann. Die rechten Vasallen um Björn H. freuen sich wie Kinder an jeder Katastrophe oder jedem Streit der Ampelkoalitionäre, der ihnen neue Wähler zutreibt, wie zuletzt in der Niedersachsen-Wahl.


Unsere Demokratie ist in Gefahr


Das ist der Hauptgrund für meine Aufregung, meine Wut, aber auch meine Sorge. Ich will weder die Soft-Populisten Söder, Merz und Spahn in irgendwelchen bundespolitischen Ämtern mehr sehen, noch deren Hardcore-Pendants aus den Kreisen der LINKEN und der AfD. Die CDU/CSU wäre gut beraten, sich neu zu orientieren, was mit den genannten Protagonisten nicht möglich ist. Die FDP ist der Wackelkandidat in der Ampel, denn ihre Mantras verfangen immer weniger.Trotzdem plädiere ich für etwas mehr Geduld mit- und Vertrauen in die Bundesregierung und in die einzelnen Protagonisten. Jede Ministerin und jeder Minister hat Verbesserungspotential. Dies trifft auch für den Kanzler zu, dem ein Kommunikationscoach gut täte, denn die Zeiten des Mutti-Duktus in Reden und Veröffentlichungen sind in Krisenzeiten unpassend.


Den Medien empfehle ich weniger Dauerprügeln, wie dies speziell in einigen populären Talkshows täglich zur Schau gestellt wird. Nahezu jede dieser Shows hat destruktive bad news sells - Ansätze. Kritik ist wichtig und gut - aber populistische Dauerkritik der Kritik willen Ost in Krisenzeiten unangebracht.


Der Gesellschaft empfehle ich eine Entziehungskur von den sozialen Medien und selektive TV-Abstinenz (Thema: Talkshows). Wir haben anstelle dessen hervorragende Print-Medien, deren Berichterstattung im klassischen Sinne einen guten, sachorientierten Journalismus repräsentiert. 


Wir können aus den Krisen als Gesellschaft und damit als Land gestärkt herauskommen, aber nur wenn wir den Pfad der zunehmenden Spaltung rasch verlassen und uns auf den Zusammenhalt konzentrieren. Diesen Satz können Sie mit Ctrl.C gedanklich kopieren und auf die demokratischen Parteien übertragen.







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