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Die aktuelle Zusammenfassung der Klimasituation in der Welt

Die Menschheit erhielt am Montag, den 20.3.2023 eine »letzte Warnung« durch das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, dass wir auch als Weltklimarat kennen. Die Quintessenz des Syntheseberichts zum sechsten Sachstandsbericht AR6 des IPCC lautet »…jetzt zu handeln, bevor es zu spät ist«, schrieb der britische Guardian. Das Ausmaß des Notfalls wird täglich für Mensch und Natur unerträglicher. Die Klimaveränderungen vertreiben schon heute viele Menschen aus ihren Heimatregionen und gelten auch als eine der Ursache für den Verlust von Menschenleben. Nicht zuletzt liegt darin auch der Grund, warum der UN-Generalsekretär António Guterres den nun vorliegenden Empfehlungen des IPCC als Fahrplan für die Entschärfung der »Klima-Zeitbombe« bezeichnete.


Reflexartig reagierten Gesellschaft, Wirtschaft und Politik mit den Attributen von »Übertreibung«, dem unbegründeten »Schüren von Ängsten« und der ebenfalls fachlich nicht unterlegten Aussage von »technologische Lösungen, die alle Auswirkungen der Klimaveränderungen begrenzen werden.«


Die Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten und Fachpublizisten wie mir selbst ist es, der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern gleichermaßen dabei zu helfen, diese Roadmap zu verstehen und sich bei ihren Schlussfolgerungen zurechtzufinden. Wir können dabei auch Entscheidungen und Handlungen ins Rampenlicht rücken, die die Menschheit in die falsche Richtung lenken würden. Dies erfordert die Beschäftigung mit den Inhalten des IPCC-Berichts als publizistische Daueraufgabe – und nicht nur eine eintägige Zusammenfassung. Hierzu werde ich in den kommenden Wochen die wichtigsten Ergebnisse des Berichts im Einzelnen betrachten und mein Augenmerk dabei insbesondere auf mögliche Lösungen lenken.


Wenn man die Zusammenfassung genau liest, und nicht nur die oberflächliche Betrachtung von Presseberichten dazu, wird deutlich, dass Lösungen die Hauptthemen des Berichts sind. Sie behandeln speziell die Themenfelder von Gerechtigkeit und Geschwindigkeit bei den Umsetzungen.


Bereits auf zahlreichen Vorträgen habe ich betont, dass die Menschheit kein Erkenntnisproblem zu den Klimafragen hat, sondern ein großes Umsetzungsproblem. Die Welt hat sowohl das Know-how als auch die Technologien in der Hand, die erforderlich sind, um eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu erreichen.


Dies betonte auch der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee in seiner Präsentation des Berichtes. So schließe sich das Fenster für die notwendige Umsetzung von Maßnahmen gegen die Klimaveränderungen sehr schnell. Die Welt müsse heute handeln – und nicht auf morgen warten. Das Thema von Klimagerechtigkeit seit von größter Bedeutung, denn fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebe an Orten, die »…sehr anfällig für den Klimawandel« seien und bei denen »…Todesfälle durch Überschwemmungen, Dürre und Stürme 15-mal höher sind« als anderswo.


Der Bericht macht wie nie zuvor deutlich, dass es nicht an tragfähigen und wirtschaftlich attraktiven Lösungen für den drohenden Klimanotstand mangelt, sondern vielmehr an politischem und wirtschaftlichen Führungspersonal. Die Klimaveränderungen verlangen nach Regierungen, die zum einen die Zusammenhänge verstehen und zum anderen die notwendigen Lösungen umsetzen, und zwar schnell und konsequent.


Die meisten Regierungen der Welt behaupten natürlich ohne Wenn und Aber, dass sie sich für den Aufbau einer klimafreundlichen Zukunft einsetzen. Auch die Wirtschaft äußert sich in gleichem Umfang. Doch die Realität sieht völlig anders aus. So verwässern Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere OPEC-Staaten den Text des IPCC-Berichts »Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger«, den die Regierungen im Gegensatz zum wissenschaftlichen Bericht genehmigen müssen.


Die USA und China haben kürzlich die Produktion fossiler Brennstoffe erweitert. ExxonMobil, Saudi Aramco und andere große Unternehmen fossiler Brennstoffe planen in den kommenden Jahrzehnten eine deutliche Ausweitung ihrer Umsätze.


Der Journalismus muss und kann dem öffentlichen Interesse dienen, in dem der Berichterstattung dadurch Gewicht verliehen wird, auf lobbygeprägte Verstrickungen hinzuweisen. Unser Ziel muss es sein, die mächtigen Produzenten von fossilen Primärenergieträgern unter Druck zu setzen. Wir müssen permanent darauf hinweisen, dass ihre Handlungen nicht mit dem wissenschaftlichen Imperativ des schnellen Ausstiegs von Öl, Gas und Kohle in Einklang stehen und nur von der endlosen Gier nach immer höheren Profiten geprägt sind.


Einige der ersten Berichterstattungen über den IPCC-Bericht zielten genau in diese Richtung, so zum Beispiel die Artikel der Washington Post, des Guardian, der PBS NewsHour und der AgenceFrancePress AFP. Aber zu viele Redaktionen priorisieren immer noch Wohlfühl-Promi-Geschichten anstelle von objektivem Klimajournalisus. Sie ignorieren die Konfrontation der Menschheit mit einer existenzbedrohenden Erderwärmung und ziehen journalistisch »leichte Kost« dem „schwer Verdaulichen« vor. Dies mag auf den ersten Blick verständlich sein, denn wer liest schon gerne dystopische Szenarien?


Die Dynamik der Klimaveränderungen wird zunehmen. Nehmen wir also alle diesen Bericht als »…die allerletzte Warnung« von Wissenschaftlern für rasche und konsequente Veränderungen. Er stellt für Journalisten und Publizisten einen guten Zeitpunkt dar, um auch unsere Berichterstattung mit einer höheren Dynamik auszustatten.


Ralf Roschlau, 25. März 2023




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