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Bericht der Boston Consulting Group zur Vermögensverteilung in der Welt

Aktualisiert: 20. Nov. 2022

Vor einiger Zeit veröffentlichte ich einen Blog zu den Zusammenhängen der Klimafragen mit der globalen Vermögensverteilung. Am 9. Juli erschien sehr passend dazu ein Bericht der BCG, der unter diesem Link zum Download bereitsteht: https://www.bcg.com/publications/2022/standing-still-not-an-option


Meine Leserschaft wird eventuell wieder einmal sagen oder schreiben: "Schon wieder ein Bericht zu Ungerechtigkeit, zum Unterschied zwischen den vielen Armen und den wenigen Reichen. Haben wir nicht andere Probleme?" Meine Antwort: NEIN, haben wir nicht. Dieser Bericht beschreibt zwischend den Zeilen genau den Kern, der hinter vielen Problemzonen der Welt steckt. Aber der Reihe nach:


Die Ausgangslage


Das globale Vermögen wuchs im Jahr 2021 trotz anhaltender Krisen weltweit im zweistelligen Prozentbereich auf 530 Billionen US-Dollar. Der Anstieg von 10,6 % ist die höchste Jahresrate seit mehr als einem Jahrzehnt und schuf 26 Billionen US-Dollar an neuem Privatvermögen. Angetrieben wurde das Wachstum von starken Aktienmärkten und einem Anstieg der Nachfrage nach Sachwerten. Die BCG gibt außerdem zu bedenken, dass digitale Marktführer die Dominanz traditioneller "Spieler" gefährden. (Bemerkung RR: das englische Wort traditonal player passt so gut zu diesem Bericht)


Der Bericht „Global Wealth 2022: Standing Still is Not an Option“ (also: Stillstand ist keine Option) stellt fest, dass trotz geopolitischer und wirtschaftlicher De-Stabilisatoren wie Inflation und Russlands Invasion in der Ukraine in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich etwa 80 Billionen US-Dollar an neuem Vermögen geschaffen werden. In einer bemerkenswerten Veränderung werde Hongkong im Jahr 2023 wahrscheinlich die Schweiz als der Standort überholen, in dem die meisten privaten grenzüberschreitenden Vermögen verwaltet werden. Dies werde eine mehr als 200-jährige Dominanz der Schweiz beendet (Bemerkung RR: Tränen sind an dieser Stelle überflüssig).


„Die Vermögensentwicklung ist ausgesprochen widerstandsfähig, und selbst vor dem Hintergrund geopolitischer Turbulenzen wird die Wachstumsrate positiv bleiben“, sagte Anna Zakrzewski, weltweite Leiterin des Vermögensverwaltungssegments von BCG und Mitautorin des Berichts. „Obwohl diese Stabilität enorme Chancen für Vermögensverwalter bietet, müssen sie strategische Entscheidungen treffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Vermögenskunden suchen nach Angeboten der nächsten Generation und erstklassigem Service – einschließlich Net Zero, Krypto, Personalisierung und Digitalisierung. Die wichtigste Frage, vor der Vermögensverwalter heute stehen, ist nicht, welchen Initiativen Priorität eingeräumt werden soll, sondern wie sie am besten umgesetzt werden.“


Der Bericht prognostiziert also, dass Vermögensanlagen in allen Regionen weiter an Wert gewinnen werden. Der asiatisch-pazifische Raum wird die schnellsten Vermögenswachstumsraten beibehalten, wobei die Vermögenswerte bis 2026 voraussichtlich um eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 8,4 % steigen werden. Wenn diese Rate anhält, könnte die Region bis 2026 fast ein Viertel des gesamten Reichtums der Welt beherbergen. Das Vermögen im Nahen Osten und in Afrika ist auf dem besten Weg, in den nächsten fünf Jahren um eine CAGR von 5,4 % zu steigen, der größte Gesamtsprung im regionalen Vermögenswachstum. In Nordamerika wird das Vermögenswachstum langsamer sein als in den vergangenen Jahren, mit einer geschätzten jährlichen Wachstumsrate von 4,7 % bis 2026, was einem Rückgang gegenüber einem früheren Fünfjahresdurchschnitt von 9,1 % entspricht. Ebenso dürfte sich das Vermögenswachstum in Westeuropa von etwa 4,5 % in den letzten fünf Jahren auf weniger als 4 % jährlich bis 2026 verlangsamen.


Net Zero ist ein unmittelbarer Imperativ


Sehr interessant ist die Erwähnung, dass nachhaltiges Investieren auf Anlagewerte mit dem Ziel von Netto-Null an CO2-Emissionen eine Schlüsselkomponente sein könne. Diese Anlageklasse wachse drei- bis fünfmal so schnell wie traditionelle Anlagen und könnte bis 2026 8 % bis 17 % des privat angelegten Vermögens ausmachen.


Krypto: Ein unerschlossener Markt für Vermögensverwalter


Nicht-traditionelle Vermögensverwalter verwalten derzeit bis zu 1 Billion US-Dollar an kryptobezogenem Vermögen. Die Marktkapitalisierung für Krypto könnte bis 2030 um das Vier- bis Fünffache steigen. Die Chance für Vermögensverwalter ist klar: Fast 80 % der befragten Kunden gaben an, dass sie eine Erhöhung ihrer Krypto-Bestände in Betracht ziehen würden, wenn Vermögensverwalter Beratungs- und Bildungsdienste anbieten.


Damit endet diese kurze Zusammenfassung. Was sagt zumindest mir dieser neue Bericht:

  • Die Anhäufung von finanziellem Reichtum geht trotz aller Probleme in der Welt nach Schätzungen der BCG auch in den nächsten Jahren weiter.

  • Weder Kriege noch die Klimaproblematik scheinen dabei eine Rolle zu spielen

  • Die Zukunft von Vermögensverwaltern wie der BCG ist sehr positiv

  • Nachhaltige Anlagen wachsen

  • Kryptowährungen wachsen ebenfalls

Wer wird am Ende die Zeche für diese Rechnung bezahlen? Was ist mit diesen Menschen, die daran keinen Anteil haben, wie zum Beispiel die heute 811 Millionen Hungernden? Was passiert mit den unzähligen armen Menschen, die zwar nicht hungern, aber die täglich mit der Inflation, den Energieproblemen und vielen anderen Dingen kämpfen, die den vermögenden Besitzern der 530 Billionen US$ völlig egal sind? In Deutschland sind immerhin 31% der Bevölkerung als arm oder prekär eingestuft. Was ist mit dem gesamten Mittelstand, dem es heute gut geht, der aber ebenso die Krisen direkt im persönlichen Umfeld spürt?


Viele Umweltorganisationen veröffentlichen globale Armutsberichte, wie zum Beispiel die Weltbank: https://www.worldbank.org/en/topic/poverty. Diese finden kurze mediale Aufmerksamkeit, ohne dass in irgendeiner Weise Veränderungen der Betroffenen damit einher gehen oder die Vermögensverwalter und deren Mandanten Panikzuckungen bekommen.


Einen Global Report for Normal People habe ich bei meinen Recherchen bisher nicht gefunden.


So bekommen die Reichen ihre Berichte und sehen mit Freude ihre Perspektiven zur Mehrung ihrer Vermögen. Die Armen finden sich in den Armutsberichten wieder und sehen mit Bedauern, dass sich nichts ändert. Und die breite Masse sieht beiden Gruppen zu, bedauert die Armen und bewundert die Reichen.


Eine im Grundsatz perverse Situation, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wahrnehmen, ohne die Grundlage dafür wesentlich zu verändern. Ein guter Freund hat mir heute geraten, diese Situation nicht weiter zu thematisieren, denn die Macht des Geldes ist omnipotent - und ein moderner Robin Hood habe gegen diese Macht keine Chance. Was aber wäre mit sieben Milliarden Robin Hoods?









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