Eine der vielen Vorteile unseres demokratischen Landes ist die vollständige Transparenz, wenn man sie denn sucht. Die Quelle dazu ist das statistische Bundesamt. Dort erscheinen in regelmäßigen Abständen die Zahlen des Ausländer-Zentralregisters (AZR).
Dies beinhaltet auch die genauen Bevölkerungszahlen unseres Landes zum jeweiligen Stichtag, in meinem Artikel der 31.12.2023 als letzter verfügbaren Berichtszeitraum.
25 Prozent der Deutschen haben eine Einwanderungsgeschichte
Die Einwohnerzahl Deutschlands lag damals bei 83,875 Millionen Menschen. Davon hatten 21,176 Mio. eine Einwanderungsgeschichte. Von diesen waren 16,173 Millionen direkt eingewandert. 5 Mio. waren deren Nachkommen. Weitere 4 Mio. Menschen hatten eine einseitige Einwanderungsgeschichte. Somit besteht unser Land besteht aus 58,686 Millionen Menschen ohne Einwanderungsgeschichte.
Nun möge jeder von Ihnen für sich selbst definieren, in welche der genannten Kategorien sie oder er fällt. Wenn man der Argumentation zum Thema Remigration der rechtsradikalen AfD folgt, wären damit 25 Millionen Menschen „remigrationsgefährdet“, sollte es der AfD gelingen, dieses spezielle ihrer vielen gefährlichen Ziele zu verfolgen.
Die Schutzsuchenden und ihr Status
Beginnen wir die Zusammenfassung mit einer Grafik. Diese zeigt der so genannten „Merkel-Knick“ ihres „Wir schaffen das“ aus dem Jahre 2015 im Zusammenhang mit den Kriegsfolgen in vielen Ländern Vorderasiens.
Der zweite Knick aus dem Jahr 2022 ist der „Putin-Knick“. Durch seinen Angriff auf die Ukraine haben wir fast einer Million Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz gewährt.
Ausländische Staatsbürger und Schutzsuchende
Die ausländische Bevölkerungszahl unseres Landes liegt bei 13,895 Millionen Menschen. Sie sind ein Teil der bereits genannten 21,1776 Millionen Einwohner unseres Landes mit Einwanderungsgeschichte, besitzen aber noch eine ausländische Staatsbürgerschaft. Davon waren zum Jahresende 2023 in Deutschland ca. 3,17 Millionen Menschen als Schutzsuchende im AZR erfasst. Die Zahl der registrierten Schutzsuchenden stieg gegenüber dem Vorjahr um etwa 3 % an.
Als Schutzsuchende werden die Menschen bezeichnet, die sich nach Angaben des AZR unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten.
Neben Menschen aus der Ukraine (977 000 Personen; -3 % zum Vorjahr) waren die meisten Schutzsuchenden syrische (712 000; +6 %), afghanische (323 000; +13 %), irakische (200 000; -5 %) oder türkische (152 000; +51 %) Staatsangehörige. Zusammen stellten diese fünf Staatsangehörigkeiten fast drei Viertel aller Schutzsuchenden.
Die komplette Übersicht finden Sie unter diesem Link:
Viel erreicht – und doch zu wenig
Unser Land hat in vielen Jahren erreicht, ein Viertel seiner Bewohnerinnen und Bewohner als Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen und die meisten von ihnen komplett zu integrieren. 16,5 % der Bevölkerung besitzen eine ausländische Staatsbürgerschaft. Etwas mehr als ein Viertel von ihnen sind Schutzsuchende. Deren Anteil an der gesamten deutschen Bevölkerung liegt damit bei knapp 4%.
Bei ca. 14 % von ihnen (454.7959) ist das Asylverfahren noch offen. Ca. 80% sind als Schutzsuchende anerkannt (2.528.935), davon die Mehrzahl (2.188.665) befristet und 340.275 als unbefristet. Bei 6% (189.405) wurde der Schutzstatus nach Asylrecht abgelehnt. Sie befinden sich entweder in Duldung (156.680), in latenter Auswanderungspflicht (14.620) oder in vollziehbarer Ausreisepflicht (17.845).
Die folgende Grafik geht speziell auf die Personen ein, bei denen der Schutzstatus abgelehnt wurde:
Zum Thema Duldung finden Sie weitere Informationen unter diesem Link:
Bei latent Ausreisepflichtigen sind die Rechtsmittel noch nicht ausgeschöpft. Dieser Personenkreis wird bei Abschluss der Verfahren unseres demokratischen Staates entweder vollziehbar ausreispflichtig oder geduldet ausreisepflichtig oder bekommt einen Schutzstatus.
Der Fokus der aktuellen Diskussion um die Ausreise von vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen betrifft 12.445 Männer und 5.400 Frauen. Die Gesamtzahl entspricht ca. 0,6% aller Schutzsuchenden.
Nachfolgend die Liste nach Ausreisepflichtigen nach Staatsangehörigkeit, ebenfalls mit Stichtag 31.12.2023:
Die Diskussion um 590 afghanische- und 455 syrische Menschen irritiert! Was ist mit 1.420 Personen aus dem Irak, mit 1.295 aus Georgien, 1.275 aus der Türkei, 1.215 aus Serbien, 1.030 aus Moldau oder 990 aus Nordmazedonien oder 980 aus Albanien? Warum sind 295 ausreisepflichtige Russinnen und 365 ausreisepflichtigen Russen noch in Deutschland?
Wege aus dem Asyllabyrinth
Die Defizite liegen nicht in der Asylpolitik nach dem „Wir schaffen das“ – Credo der ehemaligen Kanzlerin, sondern vielmehr
An einer zu geringen Personalausstattung und Qualifikation der Mitarbeitenden des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
An einer zu bürokratisch definierten Umsetzung der Umsetzung nach positiven Entscheiden, also der mangelnden Integration in den Arbeitsmarkt bzw. in das Leben in unserem Land als Solches.
An fehlender Pflicht für die Schutzsuchenden die Sprache zu lernen, die Kultur zu verstehen und die Einbringung in den Arbeitsmarkt selbst voranzubringen. Das Recht aus Asyl ist verbindlich. Es ist aber kein Freibrief für eine Erwartungshaltung nach dem Motto „Gebt mir; ich warte gerne auf Eure Hilfe“. Auch beim Thema Asyl müssen wir fordern – und nicht nur fördern.
An mangelnder Umsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht begründet in zu geringer Personalstärke der beteiligten Behörden und zu viel Vorfeld-Bürokratie.
Deutschland ist nicht fremdenfeindlich !
Diese Überschrift habe ich gewählt, obwohl die CDU/CSU, die AfD, das BSW und in Telen auch die FDP aus wahltaktischen Gründen ein völlig anderes Bild in die mediale Landschaft projizieren. Unser Land hat gezeigt, dass wir ein Land sind, dass ausländische Mitbewohner inklusive der Schutzsuchenden willkommen heißt. Das soll und darf sich nicht ändern.
Das Recht auf Schutz ist mehr als nur die Genfer Konvention. Es ist Teil unserer Ethik und unseres Grundgesetzes.
Die politischen Forderungen nach einer Verschärfung des Asylrechts haben mit Wahltaktik zu tun. Wir lösen die Asylfragen nicht mit populistischen Parolen.
Wir müssen lediglich die Verfahren inhaltlich schärfen sowie schneller und genauer abarbeiten. Dies ist mit Fragen der personellen Ausstattung und – Qualifikation verbunden.
Ein Beispiel dazu: einige der Geflüchtete kommen mit falscher Identität nach Deutschland. Das Problem ist seit Jahren bekannt. Die Verfahren zur Überprüfung müssen professionalisiert werden, um das Alter und das Herkunftsland bestimmen zu können. Dabei darf auch Handy-Monitoring kein Tabu sein!
Wir versäumen es, von Anfang an den Fokus auch und vermehrt auf die psychische Situation der Menschen zu legen, die zu uns kommen. Das Thema findet im Asylverfahren keine oder nur sehr wenig Beachtung. Als Behörde mit Ausprägung auf bürokratische Verfahren konzentriert sich das BAMF bzw. nach Anerkennung die Bundesagentur für Arbeit vor allem auf die materielle Versorgung. Es geht also um Geld oder ein Dach über dem Kopf, beides Grundlagen des täglichen Lebens. Wir blenden dabei völlig aus, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die auch und sogar vorwiegend immaterielle Bedürfnisse haben und bei denen die Fluchterfahrungen bzw. die Ereignisse im Vorfeld der Flucht materiell unlösbare Traumen ausgelöst haben.
Ehrenamtlich Mitarbeitende aus den Arbeitskreisen Asyl oder anderen Integrationsinitiativen sind gut und wichtig, aber keine alleinige Lösung!
Wenn in den Verfahren oder nach Anerkennung bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten nichts oder wenig vorangeht und die Menschen keinen breiten, gesellschaftlichen Anschluss gefunden haben, folgt eine Spirale, aus der man ohne Hilfe von außen nicht herauskommt.
Integrationslotsen aus dem Kreis der Schutzsuchenden – ein möglicher Lösungsansatz
Kommunale Integrationsmanager sind wichtig, aber durch die Masse der Fälle überfordert, auch in der sprachlichen Kommunikation mit den Betroffenen.
Warum haben mir nicht den Mut, bereits anerkannte Schutzsuchende in die Begleitprozesse der Integration einzubauen, indem sie bei der Ankunft und in den Verfahren, also dem Beginn der Integration, in der Muttersprache mit den Schutzsuchenden kommunizieren?
Die Idee von „Integrationlotsen“ aus den wesentlichen Staaten der Schutzsuchenden ist nicht neu, wird aber nicht oder nicht konsequent verfolgt. Dabei würden eine erste Orientierung und Gespräche mit teil- oder vollintegrierten Landsleuten auch „erste Hilfen“ bei der psychischen Bewältigung von Fluchtfolgen sein. Wenn die „Integrationslotsen“ gut beobachten, könnten sie ebenfalls herausfinden, ob jemand eine mögliche Gefahr darstellt.
„Integrationslotsen“ können uns helfen, den Hintergrund der Schutzsuchenden besser zu beleuchten. Nicht nur die oft zitierten „jungen Männer“ aus bestimmten Regionen der Welt, in denen staatliche Strukturen nicht oder nur förmlich existieren und Recht nur auf religiösen Dogmen basiert, müssen lernen, wie „wir ticken“ und warum die Dinge bei uns so sind, wie sie eben sind.
Warum gehen also das BAMF, die Bundesagentur für Arbeit oder die Landratsämter bzw. die Kommunen nicht den Weg, gut integrierte Iraker, Iraner, Syrer und Afghanen einstellen, die neben der deutschen Sprache auch englisch, arabisch, persisch oder Paschto sprechen?
Hier ein Schaubild, dass zeigt, wo Integrationslotsen an den verschiedenen Prozessen des Asylverfahrens eingesetzt werden könnten:
Es gibt Kandidatinnen und Kandidaten, die als „Integrationslotsen“ fungieren könnten, und zwar durchaus zahlreich. Dies kann ich aus meiner jahrelangen Arbeit bei der Sprachintegration von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen in unser Land kommen, bestätigen.
Sondersituation Ukraine
Unser demokratisches Land ist diametral unterschiedlich zu fast allen Staaten, die auf der der verlinkten Übersichtsliste der Schutzsuchenden aufgeführt sind. Die einzige deutlich erkennbare Ausnahme ist die Ukraine, einem Staat, der vergleichbare Strukturen hat wie Deutschland. Daher ist die „kulturelle“ und „systemische“ Integration von Schutzsuchenden aus der Ukraine deutlich einfacher und sehr unterschiedlich zu fast allen anderen Staaten dieser Liste.
Unser Rechtssystem – und seine Grenzen
Unser Rechtssystem ist gut und stark, aber es hat auch große Defizite! Es darf nicht sein, dass Wiederholungstäter, die mehrere Straftaten begangen haben, auf freiem Fuß sind. Wenn Menschen kriminell werden, muss das Konsequenzen haben. Die gilt nicht nur für kriminell gewordene Schutzsuchende.
Die Menschen, die zu uns kommen, haben von unserem Land oft ein falsches Bild. Sie sind plural, wie auch wir plural sind. Es gibt viele von ihnen, die eine gute Vorbildung haben, Schulen oder sogar Universitäten besucht haben und über Berufe verfügen, die sie in ihren Heimatländern ausgeübt hatten. Viele von ihnen haben eine Vorstellung, wie Deutschland aussieht und wie unser Land „funktioniert“. Die große Mehrzahl der Schutzsuchenden ist so friedlich und gesetzestreu, wie es auch die Mehrzahl von uns Deutschen ist.
Wie auch bei uns gibt es aber eine kleine Minderheit mit anderen Vorstellungen. Sie gehen davon aus, dass unser Land ein wirtschaftliches Paradies sei, wo man bei der Ankunft gleich eine Wohnung, ein Auto und finanziellen Wohlstand bekommt. Die nicht erfüllbaren Erwartungen dieses Personenkreises bergen die Gefahr, dass sie am Ende enttäuscht sind und alle tun, das System auszunutzen oder ihre Erwartungen durch kriminelle Handlungen wie Diebstahl, Raub oder Drogenhandel zu erfüllen.
Fazit
Die Politik darf nicht nur mit restriktiver Asylpolitik handeln, sondern muss für qualifizierte Verfahrensabläufe sorgen. Dabei können anerkannte Schutzsuchende als „Integrationslotsen eine tragende Rolle spielen.
Gesellschaft und Politik dürfen sich nicht durch einseitige, populistisch geprägte und immer fragmentierte Betrachtungen spalten lassen. Zu den Vorteilen unseres Staates gehört auch seine Transparenz. Wir müssen uns nur die Zeit nehmen, genauer hinzuschauen.
Wenn wir erreichen, unkonventionelle, pragmatische Methoden außerhalb des Standarddenkens zu wählen, statt Wege der „reinen Bürokratielehre“ zu gehen, werden wir – ohne „wenn und aber“ die Aussagen von Angela Merkel aus dem Jahr 2015 bestätigen: Wir schaffen das!
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